Heike Baranowsky, Eva Grubinger, Daniel Pflumm, Heidi Specker, Wawrzyniec Tokarski

Eine Ausstellung der Preisträger der ars viva 97/98, ausgerichtet vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Die Neuen Medien haben sich in den 1970er-Jahren in vielen Bereichen des Lebens durchgesetzt. Im Musik- und Videobereich dominiert schon seit Jahren die digitale Technik, und kaum mehr ein Hit wird ohne Computer produziert. Auch die bildende Kunst hat sich schon lange ihrer bemächtigt, nur subtiler und nicht so spektakulär. Ihr geht es weniger um bunte Effekte, als vielmehr um Kunst- und Kommunikationsformen in unserer „neuen“ Wirklichkeit. Das digitale Foto brachte den Glauben an die Objektivität der Fotografie ins Wanken und zeigte, dass die Abbildung von Realität so manipulierbar war, dass eine Überprüfung unmöglich wurde. Gleichzeitig war es die Geburtsstunde der „virtuellen“ Welt, die neben unserer existiert und dank der Perfektion der Computertechnologie oft nicht mehr von der „realen“ zu unterscheiden ist. Reale und virtuelle Welten sind Protagonisten und Verbündete. Werbung, Videoclips und Unterhaltungsgazetten verwischen die Grenzen, und irgendwo dazwischen steht der Mensch, als Opfer und Täter, als Aufklärer und Verführer, als Realist und Träumer.

Die von einer Jury unter Vorsitz von Dr. Arend Oetker ausgewählten fünf Künstler:innen bedienen sich der neuen digitalen Technologien. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit Wirklichkeit und Kommunikation in unserer Gesellschaft, dies jedoch nicht unbedingt mittels aufwendiger interaktiver Environments, als vielmehr in hinterfragenden meditativen Installationen.

Zusammengesetzt war die Jury aus Mitgliedern des Gremiums Bildende Kunst, Vertreter:innen der Ausstellungshäuser (Dr. Ina Conzen, Stuttgart; Dr. Veit Loers, Mönchengladbach; Dr. Hans-Werner Schmidt, Kiel; Dr. Britta Schmitz, Berlin), Christoph Blase (Kritiker, Köln), Dr. Ludger Hünnekens und Renate Goldmann (Kulturkreis)

Heike Baranowsky zeigte in ihrer Videoarbeit Auto Scope den Blick aus einem fahrenden Auto heraus auf Paris, der gleich viermal über Videobeams in einen Raum projiziert wurde. Der Film entstand während einer Fahrt auf dem Autobahnring um die französische Metropole, wobei die Kamera immer in Richtung Innenstadt gerichtet war. Häuserfassaden ziehen vorbei und verstellen den Blick in die Stadt. Das Zentrum wird umfahren, ohne es zu Gesicht zu bekommen. Thematisiert wurde hier das Verhältnis von Innen und Außen, von Zentrum und Peripherie, von Intimität und Anonymität, denn das Vorbeirauschen der Häuserfronten ließ die Betrachter:innen doch nicht tiefer als auf eine in den Raum projizierte, virtuelle Oberfläche blicken, die durch die Bewegung zu einem kaleidoskopartigem Spiel hüpfender Formen wurden.

Die Architekturbilder von Heidi Specker wurden mit dem Tintenstrahldrucker hergestellt. Entsprechende Fotografien moderner Bauten wurden digital so transformiert, dass sie anonym und mysteriös erschienen, als seien sie das Produkt einer Computersimulation. Durch eine zusätzliche, künstliche Unschärfe bekamen die Bilder jedoch eine utopische Dimension. Geschickt wurden hier die medialen Ebenen Foto, Computer und Malerei genutzt, um den Betrachter zu verunsichern und die Frage nach Realität und Virtualität ad absurdum zu führen.

Eva Grubinger nutzte den Computer und das Internet, um deren kommunikative Möglichkeiten in ihre Arbeit mit einzubeziehen. Nach ihrer Arbeit Netzbikini, den Anweisungen, via Internet, sich einen Netzbikini zu nähen und nach den Gesellschaftsspielen Hype!, Hit!, Hack!, Hegemony!“, die 1996 im Museum Abteiberg vorgestellt wurden, hat sie nun nach Computervorlagen Figuren aus bedrucktem Aluminiumblech im Maßstab 1:2 hergestellt. Diese Cut-Outs, die im Raum aufgestellt waren, stellten bestimmte soziale Gruppen dar. Durch ihre Zweidimensionalität und ihre Größe hatten sie Modellcharakter für die soziale Determiniertheit von Cliquen, deren Attribute jedoch austauschbar waren.

Daniel Pflumm führte uns in die Welt der Diskotheken und der Werbung. Bekannte Firmenlogos wurden abstrahiert und fast unmerklich mit eigenen Schriftbildern vermischt, oder aber es werden eigene Videos miteinbezogen. Als buntes Blinken hämmerten sie dem Betrachter entgegen, unterstützt von Techno-Beats. Es war ein Bombardement von Zeichen und Rhythmen, die wie der Besuch einer Diskothek zu unserem Konsumalltag gehören. Durch das subversive Dazwischenschalten von eigenen Logos und das Verfremden der bekannten Logos wurde gleichwohl ein Überdenken unserer unablässig medial manipulierten Wahrnehmung herausgefordert.

In der monumentalen Arbeit von Wawrzyniec Tokarski, die im großen Ausstellungsraum zu sehen war, sind visuelle und akustische Szenen aus Spielfilmen und Computeranimationen so geschickt kombiniert worden, dass, obwohl keine Handlung zu erkennen war, sich Dramaturgie und Dynamik entwickelten, die die Betrachter:innen gefangen hielten. Die allein aus Versatzstücken des Genres bestehende Arbeit zeigte, wie sehr sich unsere Sehgewohnheiten geändert hatten; dass mehr der oberflächliche Reiz als der Inhalt den heutigen Menschen zu fesseln vermag.