Pressevorbesichtigung: Donnerstag, 8. März, 11 Uhr
Ausstellungseröffnung: Sonntag, 11. März, 12 Uhr
anschließend Gespräch mit Henrike Naumann in der Ausstellung, 14 Uhr
Warum ist es heute einfacher, einen gewellten Spiegel zu finden als einen geraden? Henrike Naumann legt eine zeitgeschichtliche Archäologie der Hinterlassenschaften der Postmoderne in Deutschland frei. Was macht die Allgegenwärtigkeit postmodernen Designs in Kopie der Kopie im Alltag mit den Deutschen? Welche gesellschaftlichen Auswirkungen hatte der postmoderne Bauboom ab 1990 für das Leben der Menschen in der ehemaligen DDR? Kann man sich durch Möbel radikalisieren? Und wie war das gleich noch mit der Expo 2000 in Hannover, deren Chefin wenige Jahre zuvor als Treuhand-Präsidentin die Abwicklung der Ostbetriebe verantwortete?
Naumann nimmt das Milleniumsjahr als Ausgangspunkt für eine Betrachtung der 1990er Jahre in Ost- und Westdeutschland und der Nachwirkungen postmodernen Designs auf die deutsche Gesellschaft. Basierend auf ihren Überlegungen verwandelt sich die Große Wechselausstellung des Museums Abteiberg in einen sonderbaren ‚Deutschen Pavillon‘, eine Grabungsstätte, in der die Trümmer der Postmoderne und der Deutschen Einheit versammelt sind. Die Ausstellung bewegt sich zwischen Museum, Messestand, Concept Store, Wohnzimmer und Ruine.
Expo 2000 und Terror 2000, Treuhand und Love Parade, Gerhard Schröder und Dr. Motte, Generation Golf und Möbel Höffner – ein deutsch-deutscher Pavillon gefüllt mit Objekten und Möbelstücken, subjektiv und emotional ausgewählt: aus dem Archiv der Künstlerin, aus dem Exposeeum Hannover und aus Mönchengladbachs Wohnzimmern. Ihre Videoarbeiten, die auf analogen wie digitalen Videoformaten entstehen, liegen im Raum wie Trümmer aus einer nahen Vergangenheit, die antiken Tonscherben unserer Zeit.
Henrike Naumann (*1984 in Zwickau) studierte Bühnenbild an der Kunstakademie in Dresden, anschließend Szenenbild an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg und begründete ihren Übergang zur Bildenden Kunst mit der Möglichkeit, das Publikum unmittelbarer in Räume hinein zu versetzen, folglich mit dem Phänomen der Immersion. Alle Elemente eines Interieurs, alle Möbel und Accessoires einer räumlichen Einrichtung arbeiten daran, das Publikum einzunehmen. Naumann operiert mit einer beinahe perfiden Nutzung der Erfahrungen, Bewertungen und Vorurteile des Publikums. Sie lenkt darauf hin, dass man Vertrautes entdeckt und sich in dessen Bewertung beobachtet: Positiv, negativ, selten neutral.
Konkret ging es in ihren ersten Arbeiten, die unmittelbar aus ihren Studieninhalten heraus in Ausstellungsräume kamen, um Ästhetik und Gesellschaft seit der deutschen Einheit (Handlungsbereitschaft 2, Kunstsaele Berlin 2012, Generation Loss, Freunde aktueller Kunst Zwickau 2013, Mapping Time, European Media Art Festival Osnabrück 2013, Aufbau Ost, Galerie Wedding, Berlin 2016, Aufbau West, Gold + Beton, Köln 2017, Herbstsalon, Kronprinzenpalais Berlin 2017), die Konfrontation von Ost und West und das Phänomen von Rechtsradikalismus und extremem Hedonismus in ihrer eigenen Generation. Naumann erlebte es als Jugendliche in Zwickau und geriet am Ende ihres Studiums dort zurück in ihre eigene Vergangenheit, als 2011 die Terrorgruppe NSU aufflog, die in Zwickau seit 1992 ihre unerkannte bürgerliche Existenz gelebt hatte. Seit 2015 arbeitet Naumann, u.a. im Kollektiv Encore, auch an Sujets der Musikkultur, hatte Projekte u.a. in der Ghetto-Biennale, Port au Prince, Haiti 2015 und 2017, in Kinshasa, Kongo, und in den Niederlanden (Gabber Nation 2017).
Das Projekt 2000 für das Museum Abteiberg handelt von der Zeit der Postmoderne in Deutschland, von einer Verbindung zwischen politischer, gesellschaftlicher und ästhetischer Wende, den Relikten dieser Zeit und ihren Versprechungen: Expo 2000 und der Jahrtausendwechsel als Höhe- und Endpunkte, danach wurde die Postmoderne als Vergangenheit notiert. Der Ort dieser Ausstellung spricht Zeichen: Das Museum Abteiberg, eröffnet 1982, war einer der Gründungsbauten der Postmoderne. Henrike Naumanns Projekt 2000 steht in intensivem Dialog mit Hans Holleins Architektur und ebenso mit seiner vorausgegangenen Ausstellung „Alles ist Architektur. Eine Ausstellung zum Thema Tod“ (Städtisches Museum Mönchengladbach 1970), die bereits in Holleins Begriffen ein posthistorisches Grabungsfeld war.
Realisiert mit großzügiger Förderung durch die Hans Fries-Stiftung und mit Unterstützung des Exposeeum Hannover.
Informationen zu Henrike Naumann: www.henrikenaumann.com.
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Ausstellungsansicht
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
Vitrine Alpina Junges Wohnen, Pallen-Wohnwelt, Würselen
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
Ausstellungsansicht
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
Desolation, Audioarbeit, 2014 und Schrankwand Young Styling, Stapelwand Sole I, Bergheim
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
Stühle und Nachtschränkchen, Mönchengladbach
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
Traueraltar Deutsche Einheit, 2018
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
D Fun 2000, Videoinstallation in Ladeneinrichtungsfragmenten aus Koblenz, 2018
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
Jugendzimmer, Aachen-Laurensberg
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
Das Reich, 2017
Audioinstallation und Wohnwand Schiefer-Optik, Krefeld
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
Hundertwasser, Video Installation, 2018 und Highboard Interlübke (1995), Osnabrück,
Drehsessel Hand, Viersen, TV Beovision Avant (1996), Design David Lewis, Bang+Olufsen,
Ikea PS Standuhr, Sozialkaufhaus Berlin
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
2000, Fassade Mönchengladbach, 2018
Foto: Henrike Naumann
2000, Kleiderständer im Vorzimmer, 2018
Foto: Henrike Naumann
2000, Kleiderständer im Museum, 2018
Foto: Henrike Naumann
Triangular Stories, 2012, Videostill VHS, 15 Min
Henrike Naumann, 2000, 2018
Birgit Breuel in Öl, Gastgeschenk der Vereinigten Arabischen Emirate zur Expo 2000
Mit freundlicher Genehmigung vom Exposeeum Hannover
Foto: Thomas Ganzenmüller