HANS HOLLEIN in retrospect
Die Aktualität einer neuen Forschung

Symposium zum Abschluss der Ausstellung HANS HOLLEIN: ALLES IST ARCHITEKTUR.
initiiert von Wilfried Kuehn und Susanne Titz
in Zusammenarbeit mit Eva Branscome, Samuel Korn und Andreas Rumpfhuber
zum Auftakt eines zweijährigen Forschungsstipendiums zur Geschichte des Museums Abteiberg, gefördert durch die Gerda Henkel-Stiftung

Kunst- und Architekturhistoriker:innen mehrerer Generationen treffen zusammen und beschäftigen sich mit Hans Holleins Museums- und Ausstellungsarchitekturen. Es geht um eine Neubetrachtung von berühmten und einst wegweisenden Gedanken, um den Beginn einer neuen Forschungsarbeit, die sowohl das komplexe visionäre und antizipatorische Denken Hans Holleins als auch die Entwicklung von Kunst und Museen, Gesellschaft und Kulturindustrie seit den 1960er-Jahren thematisieren will. Nach zehnjähriger Bauzeit eröffnete 1982 das Museum Abteiberg in Mönchengladbach. Es war das ideelle Produkt des damaligen Museumsdirektors Johannes Cladders, der ein visionärer Förderer der künstlerischen Avantgarde war und für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Gegenwartskunst eine neue Art Museum forderte. Als Architekt wählte er den Wiener Hans Hollein, der – initiiert und vermittelt durch Joseph Beuys – von 1967 bis 1976 Professor für Architektur an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf war. Künstler:innen und Architekt:innen verband in dieser Zeit Vieles, der Kontakt stimulierte die Arbeit und das Denken beider Disziplinen. Und so ereignete sich in diesem Museumsneubau eine unvergleichliche Verzahnung von Kunst und Architektur, zudem ergab seine gesamte räumliche Konzeption eine Herausforderung zu neuartiger kuratorischer Praxis.

Runde 1 wird unter der Moderation von Eva Branscome die Entstehung des Museums Abteiberg aus der künstlerischen Szene der 1960er- bis 1980er-Jahre diskutieren und damit versuchen, ein erweitertes Wissen um die Effekte dieser ungewöhnlich fruchtbaren interdisziplinären Beziehung zwischen Kunst und Architektur zu gewinnen. Hierbei wird auch der historische Raum eröffnet, in dem die austro-amerikanische Architekturhistorikerin Eva Branscome, die soeben an der Bartlett School of Architecture in London eine Dissertation über Hans Hollein beendet hat, ab September 2014 für zwei Jahre als Stipendiatin der Gerda Henkel-Stiftung am Museum Abteiberg forschen wird. Der Titel der ersten Runde übernimmt denjenigen der beginnenden Forschungsarbeit, „Interface und Interaktion – Beziehungen zwischen der Architektur des Museums Abteiberg und der zeitgenössischen Kunstpraxis“, die nach der frühen fundamentalen Studie von Wolfgang Pehnt (Hans Hollein. Museum in Mönchengladbach: Architektur als Collage, 1986) nun eine umfassende interdisziplinäre Untersuchung zur Ideen- und Entstehungsgeschichte dieses Museums leisten will.

Runde 2 wird unter der Moderation von Samuel Korn weiterführende Betrachtungen zur Veränderung von Museum und Ausstellung in den 1960er- bis 1980er-Jahren unternehmen. Samuel Korn, Absolvent der HFG Karlsruhe, beschäftigt sich zur Zeit in einer Forschungsarbeit mit dieser Schnittstelle von Architektur-, Kunst- und Kulturgeschichte. Ausgehend von Holleins Entwurf für das Museum Abteiberg will er gemeinsam mit den weiteren Teilnehmern sowohl Ordnungs- und Raumorganisationsstrukturen diskutieren, die Hinweis auf eine veränderte Ausstellungs- und Sammlungspraxis sind, als auch die Motivation der Institution untersuchen, die eine solche Raumform hervorgebracht hat. Inwieweit gehen veränderte Ausstellungspraktiken nicht nur auf spezifische künstlerische, kuratorische und architektonische Positionen zurück, sondern verweisen auf eine veränderte Wahrnehmung der Aufgaben des Museums? Und: Inwieweit sind museale Einrichtungen aktive Produzent:innen dieser Verschiebungen? Ziel dieser Runde wird es sein, die sich verändernde Rolle der Museen, der Ausstellung und der Architektur als Medien der kapitalistischen Kulturindustrie zu untersuchen – Verschiebungen im Selbstverständnis, aber auch in Methodik und Struktur, die sich in zwei Schritten beschreiben lassen und die in etwa mit dem Beginn der Planungen und der Eröffnung dieses Museumsneubaus zusammenfallen: Sind es vordergründig Kontinuitäten in der künstlerischen Praxis von der Moderne bis zum Museumsboom der 1980er-Jahre, welche die Ausstellungspraktik erweitern und über primär ästhetische Kategorien hinaus entwickeln, lässt sich im Vergleich des Entwurfs des Museums Abteiberg mit auf diesen Bau folgenden Museen – von der neuen Staatsgalerie Stuttgart bis zum Guggenheim Bilbao – ein Bruch konstatieren. Lässt sich der erste Schritt stark vereinfacht als Aufbrechen der Institution benennen, stellt der zweite eine Vereinnahmung und Institutionalisierung der vormals anti-institutionellen Praktiken dar.

Aufgrund der vergleichsweise langen Planungs- und Bauphase lässt sich am Museum Abteiberg dieser zweifache Wechsel im Selbstverständnis der Institution sichtbar machen. Elementar für das Verständnis des Bauprojekts Museum Abteiberg ist Holleins Idee vom Ausstellen, die einerseits auf veränderte künstlerische Praktiken reagierte, andererseits auf neue Arbeitsmethoden und Bedürfnisse innerhalb der kulturellen Institutionen reagierte. Es lassen sich entwerferische und darstellerische Techniken aufzeigen, deren strukturalistische oder typologische Ansätze das spätmoderne Architekturverständnis erweiterten – und deren Medialisierung in Publikationen und Ausstellungen unser heutiges Verständnis häufig stärker prägten als die Gebäude selbst bzw. deren Nutzung. Das Interesse daran, Museumsbauten in diesem Sinne als „doppelte Display-Apparaturen“ (S. Korn) zu lesen, zielt nicht zuletzt darauf ab, eine sich verändernde soziale Ordnung und die Rolle des Museums als Ausdruck eines spezifischen Gedächtnis- und Wertesystems zu verstehen. Daher steht die Entwicklung des Museums von einem Tresor der Kulturschätze zu einem Produzenten und Display neuer gesellschaftlicher Funktionen und Ordnungen im Mittelpunkt des Interesses. Im Sinne eines Auftakts für das zweijährige Forschungsprojekt am Museum Abteiberg werden in Statement-artigen Beiträgen mögliche Themenfelder vorgestellt und anschließend in interdisziplinärer Auseinandersetzung diskutiert.

PROGRAMM
11 Uhr Kurator:innenführung durch die Ausstellung HANS HOLLEIN: ALLES IST ARCHITEKTUR.
anschließend Begrüßung im Vortragssaal, Wilfried Kuehn & Susanne Titz

12 Uhr „Interface und Interaktion – Beziehungen zwischen der Architektur des Museums Abteiberg und der zeitgenössischen Kunstpraxis“ Kurzvorträge und Diskussion in deutscher Sprache
Eva Branscome, London, Stipendiatin der Gerda Henkel-Stiftung am Museum Abteiberg mit
Oliver Elser, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt
Barbara Engelbach, Museum Ludwig Köln
Jan Verwoert, Kunstakademie Oslo

14 Uhr Pause im Museumscafé

14.45 Uhr „Museum Abteiberg, or: The Birth of the Museum as a Medium of Cultural Industry“ (dt. „Kulturberg: Das Museum Abteiberg als Medium der Kulturindustrie“)
Kurzvorträge und Diskussion in englischer Sprache
Samuel Korn, Frankfurt / Berlin Ausstellungsarchitekt und -forscher mit
Antony Hudek, Exhibition Research Centre, Liverpool / Raven Row, London
Léa-Catherine Szacka, Oslo Centre for Critical Architectural Studies (OCCAS)
Andreas Rumpfhuber, Expanded Design/Akademie der Bildenden Künste, Wien

16.30 Uhr Diskussion in großer Runde – in deutscher & englischer Sprache
Moderation: Wilfried Kuehn und Susanne Titz

Realisiert mit großzügiger Förderung der Gerda Henkel-Stiftung und des Österreichischen Bundeskanzleramts Wien. Die Ausstellung HANS HOLLEIN: ALLES IST ARCHITEKTUR. wurde gefördert durch die Kunststiftung NRW, die Hans Fries-Stiftung, NEW AG, Stadtsparkasse Mönchengladbach und weitere unternehmerische und private Förderer. Die Ausstellung wurde entworfen in Zusammenarbeit mit dem MAK – Österreichisches Museum für Angewandte Kunst / Gegenwartskunst Wien, dort „HOLLEIN“ zu sehen bis 4. Oktober 2014.