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Als Mysterium des substanzlos Realen hat die Fotografie schon immer gegolten. Dass die Fotografie auch sichtbar machen könne, was dem menschlichen Auge verborgen sei, geht weit in die Geschichte dieses Mediums zurück und berührt die metaphysisch-spekulative Seite der Naturwissenschaft im 19. Jahrhundert. 1861 entsteht die erste Geisterfotografie in der Nähe von New York. Auf einem Selbstporträt des ehemaligen Graveurs William H. Mumler taucht die Geistergestalt eines jungen Mädchens auf. Ob Doppelbelichtung oder übersinnliches Phänomen, in den folgenden Jahrzehnten werden Europa und Amerika von unzähligen mediumistischen „Geister“-Fotografien überschwemmt, die in spiritistischen Zirkeln kursieren und wissenschaftliche Kreise beschäftigen.
Die umfangreiche Ausstellung 1997 IM REICH DER PHANTOME – FOTOGRAFIE DES UNSICHTBAREN, zeigte zum einen mediumistische Fotografien, wie Geister-, Fluidal- und Gedankenfotografie, dokumentarische Aufnahmen von mediumistischen und hypnotischen Experimenten und zum anderen den Bereich der künstlerischen Autorenfotografie.
So waren Aufnahmen der „Pionier:innen“ der Geisterfotografie von Mumler und Buguet (um 1860) zu sehen und herausragend eine Auswahl aus dem fotografischen Nachlass von A.C.Doyle, der lange Jahre als Vizepräsident einer „Gesellschaft zur Untersuchung von übernatürlichen Fotografien“ an eine Kommunikation mit Verstorbenen in Form der Fotografie glaubte. Die Fluidal- und Gedankenfotografie ist das Ergebnis meist in Frankreich stattfindender Experimente als Vorstellung, dass die Fotografie eine dem menschlichen Auge überlegene Sensibilität besitzt und unsichtbare Erscheinungen sowie die Existenz von Körperstrahlen nachzuweisen vermag. Einen Höhepunkt stellte hierbei der zum ersten Mal gezeigte fotografische Nachlass von Louis Darget dar, der allgemein als „Erfinder“ der Gedankenfotografie gilt und der vor der Jahrhundertwende farbige Gedankenbilder anfertigte, die u.a. Kandinsky beeinflussten.
Bei den dokumentarischen Aufnahmen von mediumistischen und hypnotischen Experimenten handelt es sich im Gegensatz zur Geister- und Gedankenfotografie um Materialisations-, Levitations- oder Hypnoseexperimente. In der Ausstellung wurden Beispiele aus dem Nachlass des Münchner Arztes Albert von Schrenck-Notzing präsentiert, der weniger an jenseitige Kräfte, als vielmehr an die Wirkungsweisen körperlich, psychischer Vorgänge glaubte. Die Beispiele aus dem Bereich der Autorenfotografie reichten vom jüngeren Nadar über Strindbergs Porträts mit der „Wunderkamera“ bis zu Anton Giulio Bragaglias futuristischem „Fotodynamismo“, die parallel zu den mediumistischen Experimenten und beeinflußt von ihnen, unsichtbare Energien und ihre fluidalen Spuren sichtbar machten. Nach dem ersten Weltkrieg sind so manche Fotogramme Christian Schads, Man Rays und Moholy-Nagys, so manche fotografischen Ideen der dada-Nachfolge und der Surrealisten Wiederaufnahmen der alten Geisteridee mit den neuen psychologischen Erkenntnissen Sigmund Freuds und seiner Schule: das Konzept des Automatisme psychique und der Écriture automatique als Generalidee des Fotogramms.
Ein breites Kapitel wurde dem belgischen Surrealismus gewidmet, wo man im Kreis um René Margritte mit Paul Nouget, Marcel Marien und E.L.T. Mesens eine bizarre und poetische fotografische Sprache entwickelte. Nach dem zweiten Weltkrieg öffnete sich das Reich der Phantome auch den moderneren Medien wie Polaroid, Television und Video. Die Halluzinationen der neu entdeckten synthetischen Droge LSD gelangen durch die experimentierenden Künstler selbst oder durch Berichte (T.Leary) in das Konzept mancher Fotograf:innen. Während Duane Michals z.B. seine Visionen von Geistern in konzeptuell durchdachte Foto-Stories packt, reagieren Sigmar Polke, Anna und Bernhard Blume und Johannes Brus ironischer, gotesker und zuweilen medienspezifisch – etwa Polke, wenn er mit dem Entwickler oder bestimmten chemischen Bädern ganz neue Geister beschwört. In Los Angeles entsteht 1979 die Gemeinschaftsarbeit „Poltergeist“ von Mike Kelley und David Askevold, wo Ideen des New Age mit psychologischen Fakten und künstlerischem Oppositionsgeist („Destroy all Monsters“) eine neue konzeptuelle Verbindung eingehen.
Daneben haben zahlreiche andere Künstler:innen, auch der jüngeren Generation, sich dem Unsichtbaren in der Fotografie zugewandt, von denen einige wenige Positionen gezeigt werden können.
Die Ausstellung wurde im Wesentlichen von Andreas Fischer und Veit Loers konzipiert unter Mithilfe der Kunsthalle Krems in Österreich (Carl Aigner) und dem Fotomuseum Winterthur in der Schweiz (Urs Stahel), die sie im Anschluss an Mönchengladbach zeigen.
Kunsthalle Krems (AT): 21. Februar – 1. Juni 1998
Fotomuseum Winterthur (CH): 13. Juni – 16. August 1998
Es entstand ein Katalogbuch in der Edition Cantz zum Preis von DM 48,- mit Essays namhafter Autoren:innen und einer Fülle erstmals publizierter historischer Fotografien, die als Vintage Prints in der Ausstellung zu sehen waren.