Bilderrätsel im Miniaturformat
Fotokunst oder Kunstfotos – wo immer die Betrachter:innen im Museum Abteiberg die 22-teilige Schwarz-Weiß-Bilder-Serie „Is: Ecstasies I–XXII“ des Briten David Williams auch einordnet, sie bilden eine Bilderwelt für sich. Auf den ersten Blick sind die Miniaturaufnahmen – 13 mal 13 Zentimeter und 12,9 mal 19 Zentimeter – undefinierbare Motive, die sich ins Dunkle flüchten.
Das Spiel mit Licht und Schatten lässt sich erahnen. Doch erst beim Nähertreten und genaueren Betrachten erschließt sich das Geheimnis der Bilder. Williams macht aus es den Betrachter:innen nicht leicht. Das Format seiner Bilder, das scheinbar Undefinierbare und der harte Schwarz-Weiß Kontrast erfordern geduldige Augen. Mit einem Augenblick lässt sich eine Fotografie nicht erkennen. David Williams’ Spurensuche mit der Kamera ist zufällig. Seine Motive sind nicht inszeniert, sondern begegnen uns im Alltag.
Doch mit der Aufnahme und durch Williams’ Bearbeitung – Auswahl des Bildausschnittes und Belichtung des Fotopapiers in der Dunkelkammer – werden die Bilder zu einem Rätsel. So wird eine Treppe unter den richtigen Lichtverhältnissen und aus der Bodenperspektive aufgenommen zu einem Gitter. Der Blick mit der Kamera durch ein Rohr eröffnet eine ganz andere optische Welt, als es das Auge sieht. Und auch eine Mauer in der Nahaufnahme bietet der Kamera ganz andere Strukturen.
Nach dem Studium der Englischen Literatur und einer Zeit als Texter und Komponist kam der 1952 in Edinburgh geborene David Williams erst 1970 zur Fotografie. Seit 1990 ist er Leiter des Fachbereichs Fotografie am Edinburgh College of Art. Die Fotoserie „Is: Ecstasies I–XXII“ – übrigens zum ersten Mal in einem Museum ausgestellt – ist bis zum 11. September im Grafischen Kabinett des Museums Abteiberg ausgestellt.
Quelle: Westdeutsche Zeitung vom 7. Juni 1994