Im Jahr 2001 begann R. H. Quaytman, alle Gemälde nach einem bestimmten System anzulegen.
Ein Charakteristikum dieses Systems ist es, dass sich die Gemäldeserien so aufbauen wie ein Buch – jede Ausstellung ist ein weiteres Kapitel (engl. chapter) in einer fortlaufenden Auseinandersetzung, die diese Gemälde betreiben. Neben der Struktur fortschreitender Kapitel gibt es eine Regel für die Gemäldegrößen. Die möglichen Maße sind begrenzt auf sieben Varianten, ausgehend von dem goldenen Schnitt von 51 × 82,2 cm. Nach einigen Besuchen des Museums Abteiberg entschied Quaytman, das jetzige Kapitel nur in den drei quadratischen Formaten des Systems anzulegen: 82,2 × 82,2 cm, 51 × 51 cm und 31,5 × 31,5 cm. Zwanzig Versionen jedes Quadratformats beziehungsweise insgesamt sechzig Gemälde umfasst ד, Chapter 24. Alle Gemälde werden auf Holzplatten mit abgeschrägten Kanten produziert. Jedes Gemälde erhält eine Hasenleim-Kreide-Grundierung, manchmal zweifarbig. Auf ihnen werden Siebdrucke von fotografischen Bildern oder Computer-generierten Mustern aufgebracht. Fast jedes Kapitel enthält ein oder zwei Ölgemälde, die als Bildlegende (engl. caption) bezeichnet sind. Drei grundlegende Aspekte bestimmen jedes Gemälde: der Ort (site), die Hängung (installation) und der sich akkumulierende Kontext der vorangegangenen Kapitel. Der Einsatz von geometrischen Mustern erzeugt optische, farbliche und perspektivische Illusionen. Die Bewegung und Position der Betrachter:innen in Beziehung zum Gemälde wird hervorgehoben durch Trompe-l’œil-Kanten und perspektivische Rotationen. Das jetzige Kapitel nutzt ein optisches Bild, das als „L-Effekt“ bezeichnet wird und ursprünglich dazu diente, das Phänomen der Bewegungsillusion im beidäugigen Sehen zu demonstrieren.
ד, CHAPTER 24 verwendet eine Vielzahl von Motiven, die unmittelbar mit dem Museum Abteiberg und Mönchengladbach verbunden sind. Viele der Gemälde basieren auf Fotos aus dem Museumsarchiv oder Fotografien, die Quaytman von ausgestellten Werken in der aktuellen Sammlungspräsentation des Museums machte. Die Reihe dieser Motive wird ergänzt durch einige kleine Portraits ihrer ‚Bewahrerin’ (custodian), der Oberkustodin des Museums Abteiberg Dr. Hannelore Kersting. Desweiteren nutzte Quaytman für die Komposition der Kreidegrundierungen Papiermuster von Hemdkragen und -manschetten, die aus der Firmenzentrale von Van Laack in Mönchengladbach stammen. Der Titel ד ist der hebräische Buchstabe Dalet oder D. Er benennt auch die Zahl 4, die wiederum die Zahl des Quadrats ist.
Zum CHAPTER 24 erscheint ein Kassettenkatalog. Die Kartonschachtel enthält sechzig Karten, worauf jedes Gemälde einzeln abgebildet und durch einen begleitenden Text von Quaytman erläutert wird. Zudem das Faksimile eines frühen Texts von Yve-Alain Bois, „The Tree and the Square“, in englisch und im französischen Original von 1977 („L’arbre et le carré“) sowie einer neuen deutschen Übersetzung und einen Essay zum Chapter 24 von Mark Godfrey. Das Format der Schachtel ist eine direkte Referenz an das günstige ungebundene Katalogformat, das vom Mönchengladbacher Museum in der Ära von Johannes Cladders publiziert wurde.
R. H. Quaytman (*1961 in Boston) lebt und arbeitet in New York. Nach den Aufsehen erregenden Präsentationen in der Whitney Biennial in New York, der 54. Biennale Venedig und der Kunsthalle Basel im Jahr 2011, die das konzeptuelle Langzeitprojekt von Quaytman international bekannt machten, ist dies die erste Ausstellung der Künstlerin in einer deutschen Institution. R. H. Quaytman studierte in den 1980er-Jahren Malerei am Bard College, New York, danach kurz bei Daniel Buren und Pontus Hulten in Paris. Mehrjährige Studioassistenz bei Dan Graham. Von 2005 bis 2008 Direktion des selbstorganisierten Ausstellungsraums Orchard in New York, einem Gemeinschaftsprojekt u.a. mit Rhea Anastas, Andrea Fraser, Christian Philipp Müller.
PROGRAMM
3. Juni 2012, 14 Uhr
KÜNSTLERINNENGESPRÄCH R. H. Quaytman und Daniel Heller-Roazen
Realisiert mit Unterstützung des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW und der Hans Fries-Stiftung.