Ruth Buchanan, A Garden with Bridges (Spine, Stomach, Throat, Ear), Foto: Florian Wagner

Vier Jahre nach Projektbeginn wird im Garten des Arbeitslosenzentrums ein ungewöhnliches Kunstwerk Realität. In der Mitte der Stadt wird ein Ort eröffnet, der die Hierarchien, die unsere Gesellschaft prägen, außer Kraft setzen will. Ergänzt um einen Pavillon als sozialem Mittelpunkt entsteht hier das skulpturale Ensemble Ein Garten mit Brücken.

Das Projekt geht auf einen Wunsch des Arbeitslosenzentrums und des Stiftischen Humanistischen Gymnasiums nach sozialer Öffnung zurück. Beide Akteure haben sich im Jahr 2018 gemeinsam an das Programm Neue Auftraggeber gewandt, um einen für die Stadtgesellschaft offenen und zugleich geschützten Ort des Zusammenkommens zu entwickeln. Die Mediatorin Kathrin Jentjens gewann die neuseelän­dische Künstlerin Ruth Buchanan für den Auftrag, der über die Kunststiftung im Museum Abteiberg mithilfe öffentlicher und privater, lokaler und internationaler Förderung sowie maßgeblich durch großzügige ehrenamtliche Arbeit von Unternehmen und Bürger:innen der Stadt umgesetzt wird. Beteiligt sind das Land NRW, die Kunststiftung NRW, Creative New Zealand, die Heidehof Stiftung, die Provinzial-Stiftung, die Josef und Hilde Wilberz Stiftung, die Volksbank Mönchengladbach eG, Ernst Kreuder GmbH & Co KG, Mönchengladbach, Dr. Joachim Winckler, Berlin, Bückmann GmbH Mönchengladbach, das Quartiersmanagement Q14 und die Stadt Mönchengladbach.

Das Programm der Neuen Auftraggeber entwickelt Kunst im Bürgerauftrag, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Anliegen auseinandersetzt. In Mönchengladbach entstanden im Rahmen einer Modellförderung durch die Kulturstiftung des Bundes zwei künstlerische Entwürfe, für den Abteiberg und für Wickrath.

Nachruf

Wir trauern um den Tod von Kobe Matthys (1970-2023), der im Alter von nur 52 Jahren gestorben ist.

Im Rahmen des Projekts von Ruth Buchanan „Ein Garten mit Brücken (Wirbelsäule, Magen, Kehle, Ohr) für die Neuen Auftraggeber war Kobe Matthys 2021 und 2022 in Mönchengladbach als Ratgeber zu Gast, um über die Entwicklung eines (Gemeinschafts-)Gartens mit den Auftraggebergruppen nachzudenken. Als Ort, der sich auf vielen Ebenen erneuert, ist dieser Garten Spiegelbild einer Stadt, die aufgrund des Wandels industrieller Prozesse, durch Spätkapitalismus und veränderte Bedürfnisse ihrer Bewohner:innen einem radikalen Wandel unterworfen ist. Wir reflektierten mit Kobe Matthys den Prozess, der mit der Schaffung eines Gemeinschaftsgartens verbunden ist. Großzügig teilte er seine Erfahrungen und sein immenses Wissen. Als Künstler lebte er in Brüssel und war Mitglied des Zenne Garten-Kollektivs und maßgeblich an der Entwicklung eines regenerativen Gemeinschaftsgartenprojekts in einer ehemaligen Industriezone von Brüssel beteiligt.

In seiner künstlerischen Arbeit war Kobe Matthys durch die von ihm gegründete Organisation Agency (seit 1992) bekannt. Seine frühen Überlegungen zum rechtlichen Konstrukt all unserer Dinge führte ihn zu einer eine Vielzahl von Fallstudien, die sich der rechtlichen Trennung zwischen Kultur und Natur widersetzten, unsere Beziehungen zu den Dingen, seien es Gesetze, Objekte oder Praktiken detailliert darstellten und zu einer Neubetrachtung geistigen Eigentums einluden. Durch seine nuancierte Art, mit der Fülle des Lebens zu arbeiten, hatte Ruth Buchanan von seiner Gartenarbeit erfahren. Als sie das erste Mal mit ihm über die Gartenworkshops sprachen, sagte er, dass man nicht wirklich Erfahrung mitbringen müsse, alles Wissen sei bereits da, es gehe nur darum, sich zu engagieren und Zeit zu investieren.

Kobe studierte von 1991-1995 an der Städelschule für Bildende Künste in Frankfurt bei Thomas Bayrle. Agency war u.a. zu sehen im CAC Vilnius (2019), Objectif-Exhibitions, Antwerpen (2011), The Showroom, London (2011), Contemporary Art Museum, St. Louis (2010), beim Goethe Institut, New York, in der Ausstellung „Animism“, Extra City, MUHKA, Antwerpen, Kunsthalle, Bern, Generali Foundation, Wien und Haus der Kulturen der Welt, Berlin (2009-12), „Grand Domestic Revolution“, Casco, Utrecht (2011-2012), „Speech Matters“, Venedig Biennale, Venedig (2011), white light, Düsseldorf (2007), „Projekt Migration“, Kölnischer Kunstverein (2005-06) u.v.m.
Matthys war einer der treibenden Kräfte von „State of the Arts“, die sich gegen die Etatkürzungen im Bereich der Kultur 2019 in Belgien einsetzte. 2021 erhielt Agency die Ultima Awards für visuelle Kunst in Flandern.

Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie, Partnerin und seinen Freunden. Wir werden ihn sehr vermissen.
Ruth Buchanan, Kathrin Jentjens, Susanne Titz und die Neuen Auftraggeber von Mönchengladbach

DER AUFTRAG
Nora Sternfeld

Die Neuen Auftraggeber von Mönchengladbach. Auftragsunterzeichnung. Foto: Tim Gorinski

In der Reihe Im Auftrag – Kunst in Beziehung beschäftigt sich Nora Sternfeld in ihrem Beitrag Der Auftrag in Referenz auf Heiner Müller mit der Bedeutung des Beauftragens von Kunst. Sternfeld fokussiert dabei auf die in der Praxis der Neuen Auftraggeber zu den Bürger*innen verschobene Auftragsvergabe, sowie auf die vermittelnde Begleitung der Prozesse und hinterfragt, inwieweit es sich dabei um grundlegende Änderungen im System handelt. Ob und wie die Erfüllung eines Auftrags mit den Bedürfnissen und Möglichkeiten von Kunstproduktion übereinkommen kann, wird zum zentralen Punkt ihrer Betrachtung.

Nora Sternfeld ist Kunstvermittlerin und Kuratorin. Seit 2021 ist sie Professorin für Kunstpädagogik an der HFBK Hamburg. Von 2018 bis 2020 hatte sie die documenta Professur an der Kunsthochschule Kassel inne, von 2012 bis 2018 war sie Professorin für Curating and Mediating Art an der Aalto University in Helsinki. Sie publiziert zu zeitgenössischer Kunst, Bildungstheorie, Ausstellungen, Geschichtspolitik und Antirassismus.

Die von den Neuen Auftraggebern initiierte Reihe Im Auftrag – Kunst in Beziehung beleuchtet die Besonderheiten einer Kunst im Bürgerauftrag aus Perspektive der Kunstwissenschaft und -vermittlung, Soziologie, Anthropologie, Architektur und Stadtentwicklung, Ökonomie und Mediation.