Isa Genzken (* 1948 in Bald Oldesloe), seit über zwanzig Jahren in der Kunstszene präsent, erarbeitete sich in den 1980er-Jahren mit dem Background konzeptuellen Denkens der 1970er-Jahre eine sehr spezifische Position, deren Aktualität sich nicht zuletzt in ihren neuen Arbeiten widerspiegelt. Mit ihren Ellipsoiden war sie schon 1982 auf der documenta 7, mit den Epoxydharz-Skulpturen 1992 auf der documenta 9 vertreten. Sie war kürzlich mit der Fotoarbeit „Der Spiegel“ (1991) sowie den Skulpturen „New Buildings for Berlin“ wiederum auf der Documenta 11 in Kassel zu sehen.

Isa Genzken blieb immer im Schatten anderer Künstler:innen, obwohl sie bis heute ein eigenständiges, vorwiegend skulpturales Werk entwickelte. Ihre Bedeutung und ihr Einfluss auf jüngere Künstler:innen stehen jedoch außer Frage. Am 31. Oktober 2003, gleichzeitig mit der schon lange geplanten Mönchengladbacher Ausstellung, erhielt sie im Museum Ludwig in Köln den renommierten Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst. Die Ausstellung zeigte mehrere Werkbereiche: die Betonskulpturen von 1986 bis 1992, eine neue vielteilige Fotoarbeit „Der Spiegel“ mit farbigen Images, eine Serie der „New Buildings“, neueste Wandarbeiten mit Spiegelfolie und das Video „Meine Großeltern im Bayerischer Wald“ von 1992.

In Zentralbereich des Museums, in dem einst „Tallow“ von Joseph Beuys die Opulenz der Architektur von Hans Hollein gedanklich konterkarierte, wurde eine größere Anzahl dieser asketischen Beton-Werke aufgestellt. Ihre „Unwirtlichkeit“ (B. Buchloh) erzeugt die Spannung einer skulpturalen Fragestellung in einem eher harmonisierten Architekturambiente. Ab 1986 arbeitete Isa Genzken an ihren Betonskulpturen Ruinen aus Beton auf Stahlrohrgestellen, die für fünf Jahre ihre Arbeit prägen sollten, bevor sie sich Epoxydharz-Skulpturen zuwandte.

Die Architekturteile und -fragmente stehen auf hohen Stahlrohrgestellen und lassen sich mitunder als Nischen, Tore und Fenster interpretieren. Hohlräume erscheinen ebenso wie tektonische Gerippe, Gerüste und Durchblicke. Es sind brüchige Modelle, Kuben, in denen ruinöse Vergangenheit und eine ungewisse Zukunft schicksalhaft verknüpft sind. „In dieser Dualität entfalten sie auch ihre besondere kritische Potenz gegenüber falschen Versöhnungsversprechen“, schreibt Benjamin Buchloh. Außerdem war eine neue Serie der „New Buildings for Berlin“ zu sehen. Diese schlanken Blöcke aus farbigem Industrieglas stehen wie Modelle von Hochhäusern auf tischartigen Piedestalen. Gleichzeitig stellen sie eine Verbindung zu den Stelen der letzten Jahre, aber auch zu den architektonischen Gipsmodellen von 1985 her. Die „New Buildings“ offenbaren eine illusionslose Schönheit von äußerster Empfindsamkeit.

Im Gegensatz zu den Betonarbeiten und den Buildings hat die raumfüllende Sequenz des „Spiegels“ mit dem Medium Fotografie und mit menschlichen Dramen zu tun, wie sie Fotoreporter dem gleichnamigen Nachrichtenmagazin zur Verfügung gestellt haben. Die neue farbige Serie konnte entstehen, da auch DER SPIEGEL in den 1990er-Jahren farbig wurde. Wie bei der schwarz-weißen Serie wird die Subjektivität der Aneignung durch das Ausschneiden und Aufkleben auf weißes Papier zu einer Objektivität jenseits der ursprünglichen Bildintention. Die Abfolge der dramatischen Ready-Mades bewegt sich im luftleeren Raum der „Modellierung des affektiven Bewußtseins“ (Gregor Stemmrich). Auch die Fotoarbeiten Genzkens weisen bis in die späten 1970er-Jahre zurück.

Isa Genzkens Œuvre, das dem utopischen Werk avantgardistischer Architektur immer wieder kollektives und individuelles Leiden gegenüber setzte, erhält mit der von ihr konzipierten Kombination der Mönchengladbacher Ausstellung eine hochaktuelle Präsenz. Zur Ausstellung erschien eine Publikation des Verlages Walther König, in der alle 126 Fotoarbeiten des „Spiegels“, – des kürzlich auf der documenta befindlichen ersten Teils – abgebildet sind. In Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Zürich erschien ein Katalog über Isa Genzkens Œuvre der 1990er-Jahre.

Ferner ist die nummerierte und signierte Künstleredition „DER SPIEGEL“ (70 × 60 cm) von 1998 an der Museumskasse zum Preis von 100,- Euro (inkl. Alurahmen) erhältlich.