„Künstler zu sein heißt zu saugen. Bilder, Orte, Leute, Natur, Objekte und Ereignisse in sich hinein zu saugen. Nachdem alles eingesogen ist, was auf dem Weg lag, gerät der Künstler an einen interessanten Punkt. Denn es droht ihm, dass er da selbst mitsamt seiner ganzen Gier aufgesogen wird. Und diesen Ort nennt man das Loch. Im Loch geht es dem Künstler ganz übel, er fühlt sich wie verkommen, dreckig, außer Verstand. Niemand kam je heil aus dem Loch heraus, und wenn doch, waren sie nicht mehr sie selbst.“
Cezary Bodzianowski, 2005
THIS PLACE IS CALLED THE HOLE ist der Titel einer Ausstellung, die eine der wohl eigenwilligsten Positionen in der aktuellen Kunstszene erstmalig in musealer Retrospektive zeigt: Cezary Bodzianowski. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist er bekannt, als ein Autor von kleinen, oft fast unsichtbaren Interventionen, die in alltägliche Situationen eingreifen und Momente einer absurden, anarchistischen Poesie entstehen lassen. Cezary Bodzianowski hat inzwischen mehr als 1.000 (sic!) solcher Interventionen unternommen und darin deutet sich an, dass es sich hier nicht so sehr um eine Produktion von „Kunstprojekten“, sondern um ein Projekt für das Leben geht. Bodzianowskis Interventionen bzw. „Ereignisse“, wie er selbst sie lieber nennt, finden fast immer in öffentlichen Räumen statt, nur manche an Kunstorten (Galerien, Museen), die meisten außerhalb. Viele geschehen auch in privaten Räumen, das Publikum erfährt von ihnen lediglich in den Foto- oder Videodokumentation seiner Frau Monika Chojnicka. Bodzianowski produziert außerdem Skulpturen/Objekte, deren ironische Hintergründigkeit in der Tradition von Marcel Duchamps dadaistische Ready-Mades und den Sprachspielen von René Magritte oder Marcel Broodthaers steht: Es sind zumeist alltägliche Objekte, von Bodzianowski leicht „modifiziert“ oder nur ein bisschen hervorgehoben, mit dem Ergebnis von unerwarteten Bedeutungen und absurder Schönheit.
Das Muzeum Sztuki in Lodz und das Museum Abteiberg unternehmen den Versuch, das Werk Bodzianowskis erstmalig zu rekapitulieren, hierbei geht es jedoch weniger um vollständiges Katalogisieren, sondern vielmehr eine Darstellung der verschiedenen Strategien, mittels derer Bodzianowski sein Spiel mit der Realität betreibt. Es geht um den Status der Realität in seiner Kunst und gleichermaßen um den Status seines künstlerischen „Selbst“, die Beziehungen dieses künstlerischen Egos, das er vorführt, zur Realität der Welt. Die Ausstellung zeigt Bodzianowskis künstlerische Arbeit als ein aktuelles Unternehmen zur Überwindung der Dichotomie von Kunst und Leben, eine Alternative zur avantgardistischen Utopie der künstlerischen Lebensentwürfe, und ebenso zur Neo-Avantgarde, die die Kunst nivellierte und sie als eine beliebige, (institutionalisierte und) isolierte Disziplin des menschlichen Lebens betrachtete.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Jaroslaw Suchan, Direktor des Muzeum Sztuki in Łódź, und begleitet von einem Katalog, der die erste Monografie des Künstlers darstellt, mit einer umfangreichen Bilddokumentation seines Werks sowie Texten von Catherine Wood, Adam Szymczyk, Jaroslaw Suchan und Susanne Titz.
Cezary Bodzianowski wurde 1966 geboren. Er studierte Malerei an der Warschauer Akademie der Bildenden Künste und an der Königlichen Kunstakadamie Antwerpen. Er hatte seither zahlreiche Einzelausstellungen, u.a. Spike Island, Bristol (2011), Center for Contemporary Art, Tel Aviv (2009), Galleria Zero, Milan (2007), Broadway 1602 Gallery, New York (2006), Kölnischer Kunstverein, Köln (2005), Neue Kunsthalle, St. Gallen (2005), Foksal Gallery Foundation, Warsaw (2003), Künstlerhaus Bethanien, Berlin (2002), sowie Einladungen zu wichtigen internationalen Gruppenausstellungen, jüngst Warpechowski / Konieczny / Uklański / Bodzianowski, Muzeum Sztuki, Łódź (2011), The Other Tradition, Wiels, Brüssel (2011), Les Promesses du Passé, Centre Pompidou, Paris (2010), Palace Party, Kunsthal Charlottenborg, Kopenhagen (2010), 5. Berlin Bienniale, Berlin (2008), So ist es und anders, Museum Abteiberg, Mönchengladbach (2008), Il Teatro Della Vita, Galleria Civica di Arte Contemporanea, Trento (2007) und The World as a Stage, Tate Modern, London (2007). 2001 erhielt er den Pegaz Award, 2004 den Polityka Passport. 2012 wurde er Stipendiat des DAAD in Berlin.
Die Ausstellung „Cezary Bodzianowski. This place is called the Hole“ ist das dritte gemeinsame Ausstellungsprojekt des Museum Sztuki in Łódź und des Museum Abteiberg in Mönchengladbach.
Sie wurde realisiert mit großzügiger Unterstützung durch das Adam-Mickiewicz-Institut in Warschau, die Stiftung für Kunst und Kultur der Sparda Bank West und die Hans Fries-Stiftung.